Die Kirche in Gernsdorf

Aufsatz einer Gernsdorfer Zeitzeugin
*26.05.1927 in Gernsdorf

"1944 war Pastor (oder Pater) Behringer aus Siegen Geistlicher in Gernsdorf, er wohnte bereits im Pfarrhaus. Sein Haus in Siegen war durch die Fliegerbomben beschädigt worden.

Pfarrer Geihe kam 1946 als Flüchtling aus Schlesien nach Gernsdorf. Er wohnte einige Zeit in Luwies. Der Hausherr, Heinrich Görg, war zu dieser Zeit Küster in der Kapelle. Sein Sohn Theodor übernahm später den Küsterdienst.

Die Kapelle war bei zwei hl. Messen überfüllt, jeden Sontag! Der Entschluss stand fest: Eine neue Kirche sollte gebaut werden. Sie entstand auf dem Grundstück von Lina Weber („Jerjersch“). Dort stand noch das alte Bauernhaus mit einem Ziehbrunnen vor dem Haus. Das Gebäude wurde abgerissen und die Familie bekam ein neues Haus in der Halmbergstraße.

Alle packten beim Kirchbau mit an. Tagsüber mauerten die Rentner. Die jungen Mädchen und Frauen machten Speis und zogen ihn mit Rolle und Seil nach oben, hoch bis zum Turm. Der Speis musste nachgefüllt werden, sonst konnten die Männer nicht weiter mauern. Abends arbeiteten die jüngeren Männer bis 22 Uhr und noch länger. Am anderen Morgen mussten sie zur Arbeit. Der Fußball-Verein hatte sich bereiterklärt, den Außenputz anzubringen. Die Gerüste blieben anschließend stehen, damit die Dorfmädchen zum Schluss noch die Fenster putzen konnten.

Dann kam das große Kirchweihfest am Sonntag nach Ostern. Der Bischof kam von Paderborn. Ein Blumenteppich unten von der St.-Johann-Straße bis zum Eingang der Kirche war von den jungen Leuten gelegt worden. In diesem Jahr wurde der weiße Sonntag auf das Fest Christi Himmelfahrt verlegt.

Die Mädchen des Dorfes verkauften Bausteine (Postkarten mit einem Foto der neuen St. Johannes Ev. Kirche – zur Finanzierung des Kirchenbaus) und fuhren bis ins Sauerland. In einem Dorf erlebten sie am zweiten Verkaufstag eine böse Überraschung: als sie an der Haustür eines Polizisten klingelten und um eine Spende baten, verbot er ihnen die weitere Spendensammlung und befahl den Mädchen, sofort die Heimreise anzutreten. Glücklicherweise konnten sie den bis dahin erzielten Erlös mit nach Hause nehmen und kamen somit nicht mit leeren Händen in Gernsdorf an.

Eine Theatergruppe spielte im Winter in Gernsdorf und den näheren Dörfern und auch bis ins Hessenland: alles zur Finanzierung der neuen Kirche.

Geld wurde über viele Jahre in zwei Listen gesammelt: eine für den Kirchenbau und eine für den Pastor, den musste die Gemeinde selbst finanzieren. Von Paderborn gab es kein Geld.

Diese Opfer wurden gebracht: Gott zur Ehre. Wir hatten eine Kirche und einen Pastor. Wir waren glücklich, denn wir mussten nicht mehr – wie vor der Zeit von Pastor Behringer – zweimal am Sonntag bei Wind und Wetter nach Irmgarteichen laufen.

Wir hatten eine Kirche im Dorf!"